Wie sieht eine zeitgemäße Arbeitsumgebung in Büros aus? Welche Büroform ist die richtige? Großraumbüro, Open Space, Business Club, Gruppenbüro, Kombibüro – was ist sinnvoll, was nicht? Der nachfolgende Artikel will hierauf eine Antwort geben und zeigen, dass es weniger um Raumkonzepte und vielmehr um ein grundlegendes Prinzip geht. Wir nennen es das „Team-Office-Prinzip“ (TOP). Es stellt den wichtigsten und unverzichtbaren Baustein einer Organisation in den Mittelpunkt: Den Mensch. Und es betrachtet den Arbeitsmarkt aus einer Perspektive, die in die heutige Zeit passt.
Dass sich die Frage nach der richtigen Büroform in den meisten Organisationen immer wieder und immer häufiger stellt, zeigt die Unzufriedenheit mit den momentanen Lösungen. Die Antwort auf die Frage leitet sich dabei von drei Sachverhalten ab:
So prüfen Computer Rechtsverträge fehlerfreier und schneller als jeder Jurist [1]. Und eine digitale Verwaltung, wie in Estland, macht das Erstellen von Steuererklärungen durch Steuerberater überflüssig [2]. Auch ein digitalisierter Posteingang erlaubt es, dass Software die Vorsortierung erledigt und uns (und unseren Assistenten) das Trennen der Geschäftspost abnimmt (so wie Spamfilter). Die technische Entwicklung führt dazu, dass die überwiegende Zahl der Routinearbeiten in Zukunft vom Computer beziehungsweise einer künstlichen Intelligenz (KI) übernommen werden [3]. Im Gegenzug bleibt uns Menschen die Aufgabe, sich den komplexen und nicht berechenbaren Aufgaben anzunehmen. Das, an dem die KI scheitert. Dafür braucht es Flexibilität, Können und gute Ideen.
… und tun dies noch immer. Aus einem Verkäufermarkt wurde ein Käufermarkt. Erfolgreiche Unternehmen entwickeln und liefern flexibel und individuell nach Kundenwunsch („Losgröße 1“). Produkte von der Stange wird es weiterhin geben, doch erwartet der Kunde dazu individuellen Service und nahezu stufenlose Konfigurierbarkeit. Gemeinsam mit der Tatsache, dass digitale Lösungen in relativ kurzer Zeit ganze Märkte verändern können, führt dies dazu, dass Mitarbeiter und Abteilungen eines Unternehmens flexibel und schnell auf geänderte Anforderungen reagieren können müssen. Beispiele, die jeder kennt: Uber vs. Taximarkt [4], Amazon vs. Buchmarkt [5] und das Smartphone vs. mehrere Märkte [6]). Und diese Veränderungen kommen meistens überraschend und sind nicht vorhersehbar.
… und immer wichtiger werden. Dies lässt sich beispielsweise an der seit Jahren steigenden Menge an Meetings und Besprechungen erkennen [7]. Es gibt kaum noch Tagesabläufe im Büro, die von Eintönigkeit und Konstanz geprägt sind. Der vielgelobte „Nine-to-five-Job“ ist eine aussterbende Form. Dutzende Male am Tag braucht ein Beschäftigter die fachliche Unterstützung durch die Kollegen. Das war vor Jahren noch anders. Das Ergebnis: Einzelarbeit nimmt ab und wird zunehmend durch Handlungen der KI ersetzt [8]. Im Gegenzug steigt der Bedarf an Teamwork und spontaner Zusammenarbeit auf allen Ebenen im Tagesgeschäft. Agile, teamorientierte Arbeitsweisen sind Antworten, um auf die veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren.
Die drei genannten Aspekte sind hier nur kurz angerissen. Zu jedem sind mittlerweile ganze Regale voller Fachbücher und Ratgeber erschienen. Und das Gesamtbild ist viel komplexer, als hier dargestellt. Im Wesentlichen lässt sich allerdings die Mehrheit der aktuellen Alltagssorgen und Verluste in Betriebsabläufen auf die erwähnten Veränderungen zurückführen. Da diese Sorgen bis dato in den meisten Unternehmen nicht ausreichend gelöst wurden, reagieren Beschäftigte auf jede Diskussion zur Arbeitsumgebung mit hohem Interesse und drücken damit einen Bedarf an Veränderung aus.
Neben den Überlegungen vieler Organisationen, die Bürolandschaft und Prozesse zu optimieren, ergab sich mit der Corona-Krise eine unerwartete und weitreichende Veränderung, die bis dahin weniger als die Hälfte aller Organisationen im Tagesgeschäft etabliert hatten [9]: Die temporäre Verlagerung des Arbeitsplatzes an einen Ort, den der Angestellte frei wählen kann. Formal sprechen wir hier von „mobiler Arbeit„, in der Diskussion hat sich der Begriff „Home-Office“ etabliert.
Dass in wenigen Monaten ein wahrer Home-Office-Hype entstanden ist und die meisten Beschäftigten auch ein zukünftiges Kontingent an Arbeitszeit außerhalb des Büros fordern, hat einen einfachen Grund: Die aktuellen Büroumgebungen passen nicht auf die Bedürfnisse der Angestellten. So fehlen schlichtweg Rückzugsmöglichkeiten, um konzentriert und über einen längeren Zeitraum an etwas arbeiten zu können. Und es fehlen Möglichkeiten, um zwischen den Phasen der Dauerbelastung (siehe Punkt 2) Energie zu tanken. Die wenigsten Unternehmenskulturen lassen es zu, sich während der Büroarbeit mal aufs Ohr zu legen. Dabei führt dies nachweislich zu besseren Arbeitsergebnissen [10].
Gleichzeitig fehlen in den Bürogebäuden oftmals ausreichend Flächen für die teaminterne Arbeit. So dienen Teeküchen, Kantinen und Foyers als Notbehelf für notwendige Ad-Hoc-Treffpunkte. Und teamorientierte, mehrstündige Workshops finden in externen Workshopräumen statt, da diese Raumform bei vielen gänzlich fehlt.
Die akuten Themen „Home-Office“ (inklusive dem wachsenden Brachliegen von Schreibtischen) und mangelnde Teamwork-Förderung führen dazu, dass die Büroformen vieler Organisationen auf den Prüfstand gestellt werden und dort nach Lösungsmodellen gesucht wird.
Die zu Beginn genannten Büroformen vom Gruppenbüro bis zum Open Office versuchen, es besser zu machen. Sie reichern die Bürolandschaft mit zusätzlichen funktionalen Zonen an und erhöhen die Kontaktfrequenz zwischen den Beschäftigten – beispielsweise durch die Reduzierung von Einzelbüros und den Wegfall von Wänden. Oft ist dies allerdings kontraproduktiv. Denn selbst gut geschnittene, modern wirkende Bürokonzepte unterliegen bis heute zwei grundlegenden Fehleinschätzungen:
Nein, tut es nicht. Denn Schreibtische sind Werkzeuge für Einzelarbeit. Sie näher zusammenzurücken und Wände zwischen ihnen zu entfernen, begünstigt zwar Gespräche – ist der konzentrierten Arbeit aber abträglich. Und: Teamorientierte Kommunikation entsteht nicht durch Gruppen- oder Großraumbüros. Studien belegen, dass sie sogar genau das Gegenteil bewirken [11]. Teamwork braucht andere Orte.
Nein, tut es nicht. Denn Teamwork ist ein menschliches, kein organisatorisches Thema. Teamwork braucht viel Vertrauen. Dieses entsteht ausschließlich in kleinen Gruppen. Wenn man 30, 40 oder 100 Menschen in eine offene Zone setzt, sorgt der ständige Sichtkontakt für Unsicherheit und Misstrauen. Die Forschung hat belegt, dass wir in Familiengrößen jeden kennen und jedem vertrauen. Bei größeren Gruppen wird es schwierig [12]. Erinnern Sie sich an Ihre Schulzeit: Auch innerhalb der Klasse mit vielleicht 25 bis 35 Schülern gab es Teilgruppen („Cliquen“), die sich intern das höchste Vertrauen schenkten und füreinander eingestanden haben. Die Klasse selbst war meist nur eine schwache Teamform, da es zu viele Einzelinteressen und Meinungen gab. Teamwork braucht kleine Einheiten mit entsprechend geschütztem „Revier“. Teamwork braucht familiäres Denken.
Die beiden zuvor genannten Aspekte finden sich in keinem der populären Büro- und Arbeitskonzepte wieder. Selbst das beliebte Activity-Based-Working-Modell (ABW) ist mittlerweile rund 40 Jahre alt (1970/80er) [13] und stammt aus einer Zeit, in der der Arbeitsalltag und die Märkte völlig anders aussahen, als sie es heute tun. Auch bei ABW geht es in der Grundplanung primär um die Platzierung von Schreibtischarbeitszonen, was nicht mehr zeitgemäß ist. Dabei basiert ABW auf einigen guten Annahmen, die noch vor 15 Jahren uneingeschränkt berechtigt und sinnvoll waren. Nur hat sich unsere (Arbeits-)Welt seitdem weiterentwickelt…
Das Team-Office-Prinzip stammt aus den 2020er-Jahren und berücksichtigt alle Anforderungen, die sich aus den Veränderungen und Erkenntnissen der letzten 10 bis 20 Jahre ergeben. Dabei spielt vor allem das Wissen um die jüngsten Veränderungen durch die breite Digitalisierung, dezentrales Arbeiten in Pandemie-Zeiten und wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu Teamverhalten, Kreativität und intrinsischer Motivation eine Rolle. Diese Aspekte prägen den Arbeitsalltag und die Kultur in Organisationen so massiv, dass sie wettbewerbsbeeinflussend sein können.
Um die Organisationskultur mit positiven Werten aufzuladen, zu bewahren und nutzbringend für die eigene Organisation einzusetzen braucht es eine Arbeitsumgebung, in der sich die Beschäftigten wohl fühlen und den Ansprüchen an den eigenen Job gerecht werden können. Grundsätzlich wollen alle Mitarbeiter ihre Aufgaben zufriedenstellend erledigen. Nur leider können sie es nicht immer. Entweder sind sie fachlich oder von der Arbeitsmenge überfordert – oder ihnen sind die Hände durch fehlende oder falsche Arbeitsmittel gebunden. Manchmal fehlen auch einfach nur die richtigen Ideen. Dies alles lässt sich durch das Fördern von echtem Teamwork und die Anpassung der Arbeitsumgebung (und -prozesse) beseitigen.
Mit dem Team-Office-Prinzip lässt sich leicht und schnell ein modulares Bürokonzept erstellen. Dabei steht die physische Arbeitsumgebung im Mittelpunkt. Diese leitet sich dabei von einer Fülle an Einzelaspekten ab. Da dieser Artikel das Team-Office-Prinzip nur im Überblick darstellen soll, gehen wir nicht auf jeden Aspekt im Einzelnen ein. Wichtig ist, dass das Team-Office-Prinzip sämtliche Bausteine von der Seite der Beschäftigten aus betrachtet und die Arbeitsumgebung sich daher aus technischen, organisatorischen und emotionalen Komponenten formt. Das nachfolgende Schaubild stellt dar, welche Gruppen von Aspekten direkten Einfluss auf die Planung einer Arbeitsumgebung nach dem Team-Office-Prinzip haben:
Wie man erkennen kann, spielen Wohlfühlfaktoren und der Zuschnitt auf den Mitarbeiter eine große Rolle. Eigenschaften wie Lichtfarbe/-helligkeit, Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Akustik sind dabei genauso wichtig, wie Geborgenheit und Rückzugsmöglichkeiten. Zum Wohlfühlen gehören allerdings auch funktionale Werte, die produktives Arbeiten ermöglichen. Darum werden beim Team-Office-Prinzip Räume, Raumwerkzeuge (beispielsweise ein Schreibtisch oder IT) und Flächen so exakt auf die Teambedürfnisse zugeschnitten, dass diese die Teamkreativität und das Gemeinschaftsgefühl fördern. Der Home-Office-Bedarf ist beim Team-Office-Prinzip relativ gering – im Vergleich mit vorhandenen Bürokonzepten. Er gehört allerdings fest zu jedem Konzept.
> weiter zu Teil 2: „Team-Office-Prinzip in der Anwendung“