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Kann ein Krankenhaus agil arbei­ten? Können wir Baustellen hier­ar­chie­frei gestal­ten? Dass neue Arbeitsformen auch außer­halb der Softwareentwicklung die Arbeitswelt revo­lu­tio­nie­ren, wis­sen wir längst. Doch wie sieht es eigent­lich in Bereichen aus, die kei­ne klas­si­schen Schreibtischaufgaben bie­ten und wo auch mal etwas mehr schief­ge­hen kann?

Nun ja, das geht. Agiles, hier­ar­chie­frei­es Arbeiten ist bran­chen­über­grei­fend mög­lich. Egal, ob am Schreibtisch, im Operationssaal oder im Bauhandwerk, dem Wandel soll­te sich nie­mand ver­schlie­ßen. Wir zei­gen anhand von zwei Beispielen, wie das aus­se­hen kann.

Das agile Krankenhaus

Das Arbeiten im Krankenhaus ist geprägt von fes­ten Strukturen: mit Hierarchien vom Assistenzarzt bis zur Oberärztin oder von der Krankenschwester zur Stationsleitung – oder der fes­ten struk­tu­rel­len Einteilung in Stationen.

Wenn Sie mor­gen als Patient mit kom­pli­ziert gebro­che­nem Bein ins Krankenhaus kom­men, lan­den Sie in der Chirurgie und das kaput­te Bein wird ope­riert. Das System hat dann funk­tio­niert. Entsteht aber bei­spiels­wei­se durch den Beinbruch eine Depression oder eine all­er­gi­sche Reaktion auf die Schmerzmittel, braucht es plötz­lich ande­res Wissen und ande­re Kompetenzen, als auf der Station vor­han­den sind. Ab hier kann es für den Patienten mit Glück gut, oft aber auch schlecht lau­fen.

Oder Sie haben von vorn­her­ein Beschwerden, die nicht offen­sicht­lich zuzu­ord­nen sind. Dann wer­den Sie von A nach B geschickt, bis jemand etwas fin­det. Das ist frus­trie­rend für alle Beteiligten: Sie wis­sen nicht, was los ist und müs­sen war­ten. Und jede Abteilung muss sich neu auf Sie ein­stel­len, was einen enor­men Verwaltungsaufwand mit sich bringt.

Vielleicht hat ein Arzt eine gute Idee, kann Sie aber nicht umset­zen, weil die benö­tig­ten Geräte zur Diagnose feh­len. Oder die Untersuchungen sind teu­er, wes­halb vor­ab noch ein paar ande­re gemacht wer­den müs­sen.

Schließlich sind da noch die Aufsichtsräte und Gremien, die sich mit gesund­heits­po­li­ti­schen und betriebs­wirt­schaft­li­chen Themen, befas­sen und zum Beispiel über die tech­ni­sche Ausstattung ent­schei­den.

Diese Strukturen zu durch­bre­chen ist alles ande­re als leicht. Denn anders als in nor­ma­len Unternehmen ist im Krankenhaus nicht nur der wirt­schaft­li­che Erfolg von Bedeutung, son­dern auch die Gesundheit des Patienten sowie gesetz­li­che und poli­ti­sche Vorgaben.

Eins zu eins kann sich das Agilitäts-Prinzip daher nicht in einen Klinikalltag inte­grie­ren las­sen. Dennoch gibt es Beispiele, wie man es anders machen kann.

Wissen teilen, individuell auf Patienten eingehen

Im agi­len Krankenhaus steht der Patient im Mittelpunkt der Behandlung. Als infor­mier­ter und auf­ge­klär­ter „Kunde“ ist er dar­an inter­es­siert, in den Behandlungsprozess ein­ge­bun­den zu wer­den. Statt star­ren Vorgaben oder Untersuchungsroutinen zu fol­gen, müs­sen Ärzte und Pfleger schnell und indi­vi­du­ell auf Patientenwünsche ein­ge­hen und auch unge­wöhn­li­che Wege ein­schla­gen (dür­fen).

Die Einteilung und Begleitung von Patienten soll­te sich indes mehr an Krankheitsbildern als an Fachabteilungen orga­ni­sie­ren. So wie im Karolinska Hospitalet in Stockholm. Dort wur­den die Fachabteilungen als Organisationseinheit zuguns­ten einer Digitalisierungsstrategie auf­ge­löst. Ein Lean Manager ver­ant­wor­tet den gesam­ten Behandlungsprozess.

Das funk­tio­niert, weil die Patienten in mög­lichst homo­ge­ne Gruppen ein­ge­teilt wer­den und weil Fachwissen effek­tiv und vor allem fach­über­grei­fend ein­ge­setzt wird. Offene Kommunikation und ste­ti­ges Feedback hel­fen bei der Qualitätsmessung.

Der Wandel im Mindset ist entscheidend

Selbst wenn poli­ti­sche Strukturen und gesetz­li­che Vorgaben einen Wandel hin zu mehr Agilität unmög­lich erschei­nen las­sen, ist er nicht uner­reich­bar. Da unter­schei­det sich die öffent­li­che Verwaltung nicht vom Krankenhaus. Schon ein Wandel im Mindset der Mitarbeiter und Führungskräfte kann gro­ße Wirkung zei­gen. Stichwort: Ideenkultur. Ermöglichen und för­dern Sie bei­spiels­wei­se einen regel­mä­ßi­gen, abtei­lungs­über­grei­fen­den Wissensaustausch. Etablieren Sie eine offe­ne Kommunikationsweise, indem Sie Feedback ein­for­dern und ernst neh­men.

Der agile Handwerksbetrieb

Ein ande­res Beispiel: Stellen Sie sich mal vor, Sie wür­den ger­ne eine Scheune auf Ihrem Grundstück errich­ten las­sen. Sie beauf­tra­gen damit einen Zimmermannsbetrieb. Der Chef schaut sich vor­ab an, was zu tun ist, macht ein Angebot und einen Arbeitsplan und schickt dann zwei Gesellen und einen Meister auf die Baustelle, die sei­ne Anweisungen umset­zen sol­len.

Genau wie im Krankenhaus kann es auch auf einer Baustelle zu Komplikationen kom­men (wenn auch mit ganz ande­ren Konsequenzen). Deshalb liegt die Entscheidungshoheit meist in der Hand einer ein­zel­nen Person (dem Meister). Weil bei die­sem aber alle Fäden zusam­men­lau­fen, ist er/sie häu­fig orga­ni­sa­to­risch über­las­tet. Wenn näm­lich auf der Baustelle unvor­her­ge­se­he­ne Schwierigkeiten auf­tau­chen, muss man wie­der neu pla­nen, den Innendienst kon­tak­tie­ren und Arbeitsaufträge ver­ge­ben. Dummerweise gibt es fast immer Schwierigkeiten: Unerwartete Leitungen im Boden, Wetterumschwünge, enge Zufahrtswege, fal­sche Lieferungen, Fehler der Kollegen, etc. pp.

Viele Probleme kön­nen meist schnell und unkom­pli­ziert von den Mitarbeitern vor Ort gelöst wer­den. Doch immer dann, wenn es teu­er wird (wer zahlt das?), die Hierarchie eine Rolle spielt (wer über­nimmt die Verantwortung?) oder wei­te­re Gewerke gefragt sind (wer darf das eigent­lich?) wird es kom­pli­ziert. Dann wird es für den Bauherrn (Sie!) oft anstren­gend und zäh. Und lei­der ist das Ergebnis ein ande­res, als Sie erwar­tet haben. Für den Handwerksbetrieb ist es unnö­ti­ger admi­nis­tra­ti­ver Aufwand und die Weiterempfehlungsquote lei­det.

Gerade klei­ne­re Handwerksunternehmen sind für agi­les Arbeiten prä­de­sti­niert. Denn meist han­delt es sich um klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Betriebe, in denen Teamarbeit und fami­liä­re Atmosphäre ohne­hin aus­ge­prägt sind. Zudem ist die Ausrichtung am Kunden und sei­nen Wünschen ein wich­ti­ger Teil der Auftragsarbeit. Doch Betrieb ist nicht gleich Betrieb. Oftmals hört der Bauherr so uner­freu­li­che Sätze wie „Da kön­nen wir im Moment nicht wei­ter­ma­chen, da müs­sen Sie jetzt erst­mal jemand kom­men las­sen.“ oder „Das ging tech­nisch nicht anders, da wer­den Sie sich dran gewöh­nen müs­sen.“ Und dabei wäre es für JEDEN Betrieb ein Leichtes, den Auftraggeber frü­her und noch stär­ker in den Planungsprozess ein­zu­be­zie­hen. Dieses Plus an Kommunikation und Transparenz stei­gert das Arbeitsergebnis, das Engagement der Handwerker, die Zufriedenheit beim Kunden und vor allem ver­hin­dert es fal­sche Entscheidungen.

Wird die Maximierung des Kundennutzens als obers­tes Unternehmensziel for­mu­liert, ist der Schritt zum agi­len Unternehmen längst gegan­gen.

Der Führungskraft kommt eine Schlüsselrolle zu

Wie auch im agi­len Krankenhaus sind die Führungskräfte im agi­len Handwerksbetrieb dafür zustän­dig zu mode­rie­ren und zu beglei­ten. Zudem soll­ten Sie Kommunikationswege eröff­nen und dafür sor­gen, dass Mitarbeiter sich kon­ti­nu­ier­lich wei­ter­bil­den, um selbst Verantwortung über­neh­men zu kön­nen.

Ist all das erreicht, sind die Grundvoraussetzungen für agi­les Arbeiten auch in unge­wöhn­li­chen Berufen geschaf­fen.

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