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Alle können agil

2. Februar 2022

Kann ein Krankenhaus agil arbeiten? Können wir Baustellen hierarchiefrei gestalten? Dass neue Arbeitsformen auch außerhalb der Softwareentwicklung die Arbeitswelt revolutionieren, wissen wir längst. Doch wie sieht es eigentlich in Bereichen aus, die keine klassischen Schreibtischaufgaben bieten und wo auch mal etwas mehr schiefgehen kann?

Nun ja, das geht. Agiles, hierarchiefreies Arbeiten ist branchenübergreifend möglich. Egal, ob am Schreibtisch, im Operationssaal oder im Bauhandwerk, dem Wandel sollte sich niemand verschließen. Wir zeigen anhand von zwei Beispielen, wie das aussehen kann.

Das agile Krankenhaus

Das Arbeiten im Krankenhaus ist geprägt von festen Strukturen: mit Hierarchien vom Assistenzarzt bis zur Oberärztin oder von der Krankenschwester zur Stationsleitung – oder der festen strukturellen Einteilung in Stationen.

Wenn Sie morgen als Patient mit kompliziert gebrochenem Bein ins Krankenhaus kommen, landen Sie in der Chirurgie und das kaputte Bein wird operiert. Das System hat dann funktioniert. Entsteht aber beispielsweise durch den Beinbruch eine Depression oder eine allergische Reaktion auf die Schmerzmittel, braucht es plötzlich anderes Wissen und andere Kompetenzen, als auf der Station vorhanden sind. Ab hier kann es für den Patienten mit Glück gut, oft aber auch schlecht laufen.

Oder Sie haben von vornherein Beschwerden, die nicht offensichtlich zuzuordnen sind. Dann werden Sie von A nach B geschickt, bis jemand etwas findet. Das ist frustrierend für alle Beteiligten: Sie wissen nicht, was los ist und müssen warten. Und jede Abteilung muss sich neu auf Sie einstellen, was einen enormen Verwaltungsaufwand mit sich bringt.

Vielleicht hat ein Arzt eine gute Idee, kann Sie aber nicht umsetzen, weil die benötigten Geräte zur Diagnose fehlen. Oder die Untersuchungen sind teuer, weshalb vorab noch ein paar andere gemacht werden müssen.

Schließlich sind da noch die Aufsichtsräte und Gremien, die sich mit gesundheitspolitischen und betriebswirtschaftlichen Themen, befassen und zum Beispiel über die technische Ausstattung entscheiden.

Diese Strukturen zu durchbrechen ist alles andere als leicht. Denn anders als in normalen Unternehmen ist im Krankenhaus nicht nur der wirtschaftliche Erfolg von Bedeutung, sondern auch die Gesundheit des Patienten sowie gesetzliche und politische Vorgaben.

Eins zu eins kann sich das Agilitäts-Prinzip daher nicht in einen Klinikalltag integrieren lassen. Dennoch gibt es Beispiele, wie man es anders machen kann.

Wissen teilen, individuell auf Patienten eingehen

Im agilen Krankenhaus steht der Patient im Mittelpunkt der Behandlung. Als informierter und aufgeklärter „Kunde“ ist er daran interessiert, in den Behandlungsprozess eingebunden zu werden. Statt starren Vorgaben oder Untersuchungsroutinen zu folgen, müssen Ärzte und Pfleger schnell und individuell auf Patientenwünsche eingehen und auch ungewöhnliche Wege einschlagen (dürfen).

Die Einteilung und Begleitung von Patienten sollte sich indes mehr an Krankheitsbildern als an Fachabteilungen organisieren. So wie im Karolinska Hospitalet in Stockholm. Dort wurden die Fachabteilungen als Organisationseinheit zugunsten einer Digitalisierungsstrategie aufgelöst. Ein Lean Manager verantwortet den gesamten Behandlungsprozess.

Das funktioniert, weil die Patienten in möglichst homogene Gruppen eingeteilt werden und weil Fachwissen effektiv und vor allem fachübergreifend eingesetzt wird. Offene Kommunikation und stetiges Feedback helfen bei der Qualitätsmessung.

Der Wandel im Mindset ist entscheidend

Selbst wenn politische Strukturen und gesetzliche Vorgaben einen Wandel hin zu mehr Agilität unmöglich erscheinen lassen, ist er nicht unerreichbar. Da unterscheidet sich die öffentliche Verwaltung nicht vom Krankenhaus. Schon ein Wandel im Mindset der Mitarbeiter und Führungskräfte kann große Wirkung zeigen. Stichwort: Ideenkultur. Ermöglichen und fördern Sie beispielsweise einen regelmäßigen, abteilungsübergreifenden Wissensaustausch. Etablieren Sie eine offene Kommunikationsweise, indem Sie Feedback einfordern und ernst nehmen.

Der agile Handwerksbetrieb

Ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich mal vor, Sie würden gerne eine Scheune auf Ihrem Grundstück errichten lassen. Sie beauftragen damit einen Zimmermannsbetrieb. Der Chef schaut sich vorab an, was zu tun ist, macht ein Angebot und einen Arbeitsplan und schickt dann zwei Gesellen und einen Meister auf die Baustelle, die seine Anweisungen umsetzen sollen.

Genau wie im Krankenhaus kann es auch auf einer Baustelle zu Komplikationen kommen (wenn auch mit ganz anderen Konsequenzen). Deshalb liegt die Entscheidungshoheit meist in der Hand einer einzelnen Person (dem Meister). Weil bei diesem aber alle Fäden zusammenlaufen, ist er/sie häufig organisatorisch überlastet. Wenn nämlich auf der Baustelle unvorhergesehene Schwierigkeiten auftauchen, muss man wieder neu planen, den Innendienst kontaktieren und Arbeitsaufträge vergeben. Dummerweise gibt es fast immer Schwierigkeiten: Unerwartete Leitungen im Boden, Wetterumschwünge, enge Zufahrtswege, falsche Lieferungen, Fehler der Kollegen, etc. pp.

Viele Probleme können meist schnell und unkompliziert von den Mitarbeitern vor Ort gelöst werden. Doch immer dann, wenn es teuer wird (wer zahlt das?), die Hierarchie eine Rolle spielt (wer übernimmt die Verantwortung?) oder weitere Gewerke gefragt sind (wer darf das eigentlich?) wird es kompliziert. Dann wird es für den Bauherrn (Sie!) oft anstrengend und zäh. Und leider ist das Ergebnis ein anderes, als Sie erwartet haben. Für den Handwerksbetrieb ist es unnötiger administrativer Aufwand und die Weiterempfehlungsquote leidet.

Gerade kleinere Handwerksunternehmen sind für agiles Arbeiten prädestiniert. Denn meist handelt es sich um kleine und mittelständische Betriebe, in denen Teamarbeit und familiäre Atmosphäre ohnehin ausgeprägt sind. Zudem ist die Ausrichtung am Kunden und seinen Wünschen ein wichtiger Teil der Auftragsarbeit. Doch Betrieb ist nicht gleich Betrieb. Oftmals hört der Bauherr so unerfreuliche Sätze wie „Da können wir im Moment nicht weitermachen, da müssen Sie jetzt erstmal jemand kommen lassen.“ oder „Das ging technisch nicht anders, da werden Sie sich dran gewöhnen müssen.“ Und dabei wäre es für JEDEN Betrieb ein Leichtes, den Auftraggeber früher und noch stärker in den Planungsprozess einzubeziehen. Dieses Plus an Kommunikation und Transparenz steigert das Arbeitsergebnis, das Engagement der Handwerker, die Zufriedenheit beim Kunden und vor allem verhindert es falsche Entscheidungen.

Wird die Maximierung des Kundennutzens als oberstes Unternehmensziel formuliert, ist der Schritt zum agilen Unternehmen längst gegangen.

Der Führungskraft kommt eine Schlüsselrolle zu

Wie auch im agilen Krankenhaus sind die Führungskräfte im agilen Handwerksbetrieb dafür zuständig zu moderieren und zu begleiten. Zudem sollten Sie Kommunikationswege eröffnen und dafür sorgen, dass Mitarbeiter sich kontinuierlich weiterbilden, um selbst Verantwortung übernehmen zu können.

Ist all das erreicht, sind die Grundvoraussetzungen für agiles Arbeiten auch in ungewöhnlichen Berufen geschaffen.

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