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Wer wechselt, der gewinnt?

4. August 2025

Amelie (34) ist Software-Entwicklerin. Sie liebt ihren Job – und sie wechselt regelmäßig den Arbeitgeber. Vier Stationen seit der Uni. Sie sucht die Herausforderung, kommt leicht in neuen Teams an und arbeitet sich schnell in neue Technologien ein.

Harald (63) ist Bilanzbuchhalter und seit Ausbildungsstart vor 47 Jahren im selben Unternehmen. Auf seinem Schreibtisch steht neben ein paar Familienfotos ein Kalender, auf dem er die Tage bis zur anvisierten Frührente zählt. Treue zahlt sich aus, glaubt er.

Ihr kennt sie beide. Und beide haben nicht ganz Unrecht.

Job-Hopping ist längst salonfähig. Aber nicht immer ist ein Wechsel für Arbeitnehmer sinnvoll – und für Arbeitgeber ist er nicht nur teuer. Häufige Wechsel haben Nebenwirkungen für beide Seiten.

Früher war alles … stabiler

Noch bis in den Beginn des 21. Jahrhunderts wurde Unternehmenstreue belohnt. Wer über Jahrzehnte blieb, durfte sich über sichere Gehälter und Aufstiegsmöglichkeiten freuen, vielleicht eine goldene Uhr zur Rente. Jobwechsel galten Personalern als Zeichen von Unzuverlässigkeit oder Entscheidungsschwäche.

Karrierewege waren linear, Hierarchien klar – und Veränderung das Gegenteil von Sicherheit.

Heute ist das anders. Digitalisierung, Remote-Arbeit, agile Teams und der Kampf um Talente haben die Karten neu gemischt. Flexibilität ist das neue Commitment. Ein Wechsel ist oft einfach der nächste logische Schritt in einer dynamischen Laufbahn.

Warum überhaupt wechseln?

Es gibt auf beiden Seiten gute Gründe, die für mehr Brüche im Lebenslauf sprechen.

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringt ein Jobwechsel

  • neue Perspektiven, neue Netzwerke, neue Skills: Wer wechselt, beugt Betriebsblindheit entgegen und erweitert den Horizont.
  • mehr Geld: Interne Wechsel oder Gehaltsnachverhandlungen sind in aller Regel deutlich weniger lukrativ.
  • mehr Sinn: Die Aufgabe macht Spaß, aber ihr versteht euch nicht mit dem Rest des Teams? Das Unternehmensziel und eigene Vorstellungen driften auseinander? Dann ist der Jobwechsel die Chance auf eine bessere Passung.

In den Jahren zwischen 2012 und 2022 war die Fluktuationsrate in Deutschland weitgehend stabil. Sie beschreibt, wie viele Menschen innerhalb eines Jahres den Arbeitgeber wechseln und liegt bei rund 33 Prozent. Eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt aber: Je nach Alter ist die Fluktuationsrate sehr unterschiedlich. Am höchsten ist sie bei Arbeitnehmenden bis 24 Jahre mit bis zu 77,3 Prozent. Bei den über 55-Jährigen sind es nur noch knapp 17 Prozent. Eine Befragung der Stepstone Group zeigt außerdem: 73 Prozent aller Beschäftigten dachten 2024 über einen Wechsel nach, 2023 waren es noch 64 Prozent.

Aber: Nicht um jeden Preis

Häufige Jobwechsel sind zwar schon lange kein K.-o.-Kriterium mehr, doch wirkliche Tiefe braucht Zeit. Fachliche Exzellenz, Führungspotenzial oder komplexe Projekte entstehen nicht in wenigen Monaten.

Auch wenn euch die Einarbeitung in neue Aufgaben und Technologien leichtfällt und ihr in kürzester Zeit Anschluss findet, braucht es doch Zeit, echtes professionelles Vertrauen zu entwickeln. Das aber braucht es nicht zuletzt für gutes Teamwork und innovatives Arbeiten.

Und: Zu viele oder zu schnelle Wechsel rufen vielleicht auch doch wieder Personaler auf den Plan. Schließlich möchte man niemanden einarbeiten, der schon auf dem Papier den Eindruck erweckt, gleich wieder weg zu sein.

Was häufige Jobwechsel für Unternehmen bedeuten

Denn eine hohe Fluktuation frisst auf Unternehmensseite viele Ressourcen. Recruiting und Onboarding sind oft ein personeller und finanzieller Kraftakt. Mit dem Ausscheiden von Kollegen geht oft ein Wissensverlust einher. Und Projekte geraten ins Stocken, wenn Teams nicht in zuverlässig stabiler Besetzung zusammenarbeiten können.

Aber neue Köpfe bringen auch neue Impulse und Perspektiven, neue Tools, frische Denkansätze und damit ein großes kreatives und innovatives Potenzial mit sich. Das kann auch zum Wettbewerbsvorteil werden.

Und: Seitdem in kaum einer Unternehmensstrategie das Wort „Transformation“ fehlt, merken viele Chefinnen und Chefs, dass diese mit dem langjährigen Personal gar nicht so einfach ist. Denn Menschen suchen sich ihren Job und Arbeitgeber auch nach persönlichen Präferenzen. Wenn sich die Rahmenbedingungen nun ändern, schmeckt das nicht jedem – was zum Ausbremsen von Transformation führt. Und so braucht es für erfolgreiche Transformationsprozesse oft auch neue Menschen mit anderen Vorstellungen und Ideen.

Personalgewinnung endet nicht mit dem Onboarding

Ohne Sinn, sinnvolle Entwicklungsmöglichkeiten, ein passendes Betriebsklima und Jobgarantien ist ein Jobwechsel eine gute Alternative zum altbewährten Aussitzen.

Für Unternehmen bedeutet das vor allem eins: Personalgewinnung endet nicht mit dem Onboarding. Wer Fachkräfte halten will, muss ihnen auch darüber hinaus bieten, was sie suchen. Wer Erwartungen weckt, sollte sie erfüllen. Und selbst, wenn alles glatt läuft, kann es passieren, dass hin und wieder jemand irgendwo ein besseres Angebot findet.

Für Menschen wie Amelie und Harald ist Job-Hopping letzten Endes nicht nur eine Generationen-, sondern auch eine Typfrage: Bietet Stabilität im Job Geborgenheit und damit einen sicheren Rahmen zur kreativen Entfaltung? Oder bedeutet sie inneren Stillstand?

Wenn sie Stillstand fürchtet, macht Amelie sich bald wieder auf die Suche – und vermutlich werden sich zahlreiche Unternehmen um sie reißen. Und Harald? Der nimmt sein Wissen letzten Endes doch mit in den Ruhestand.

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