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Wie man (sich) neu erfindet ohne (sich) zu verlieren

2. Mai 2020

Als der damalige Apple-CEO Steve Jobs das erste iPhone vorstellte, trat er in seinem schwarzen Rollkragenpullover, Jeans und weißen Turnschuhen auf die Bühne, räusperte sich und erklärte dann in nur drei Sätzen, was es mit dem revolutionären Gerät auf sich hatte. Es gab zu diesem Zeitpunkt, 2007, bereits andere internetfähige Handys und Apple war hauptsächlich mit Computern erfolgreich.

Das iPhone aber sollte nicht nur den Mobilfunkmarkt, sondern auch unser Verständnis von Internetnutzung und Kommunikation nachhaltig ändern. Jobs erklärte damals, dass Apple das Telefon neu erfunden habe. Das stimmte nicht ganz. Tatsächlich hatte der Konzern den Computer – und im Speziellen seine Bedienung per Fingergesten und Sprache – neu erfunden. Und damit wiederholte sich die Erfolgsgeschichte, die mit der ersten alltagstauglichen Computermaus am Apple Macintosh 1984 begann. Damals belächelten die Experten Steve Jobs, der die Zukunft der Maus als primäres Eingabegerät voraussah. Und auch der erste iPod war unter anderem so beliebt, weil er sich mit seinem legendären „Click-Wheel“ kinderleicht und schnell bedienen ließ. Innovation hat bei Apple immer mit ergonomischer und intuitiver Bedienung zu tun.

Innovation wird häufig falsch interpretiert

Innovation ist für Unternehmen ein natürlicher Prozess. Die Konkurrenz, veränderte Rahmenbedingungen und neue Bedürfnisse der Kunden treiben Konzerne dazu, sich weiterzuentwickeln. Viele deutsche Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter deshalb gerne regelmäßig zu Design-Thinking-Seminaren und Ideen-Workshops. Reicht das?

Offenbar nicht – denn momentan hakt es im Erfinderland. Deutsche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren zu wenig für die Innovation getan. Das zeigt eine Untersuchung der Förderbank KfW. Besonders interessant daran ist, dass die Unternehmen zwar ihre Prozesse optimieren, aber zu wenig neu erfinden.

Zudem setzen Unternehmen offenbar verstärkt darauf, trendige neue Geschäftsfelder zu erschließen – statt eigene Produkte und Services zu entwickeln oder zu verbessern.

Doch das ist fatal, denn es schadet der Unternehmenskultur – also dem Kern dessen, was das Unternehmen und seine Mitarbeiter erfolgreich gemacht hat. Es sorgt für Frust bei Mitarbeitern, die Dinge tun sollen, die die eigenen Kompetenzen übersteigen. Damit wird wertvolles Innovationspotenzial verschenkt. Häufig fehlt dann zudem die Akzeptanz der Kundschaft. Würden Sie neue, frische Smoothies von Apple kaufen? Wohl eher nicht. Denn auch wenn die Frucht im Firmennamen steht, schreiben wir Apple keine Kompetenz im Lebensmittelbereich zu. Wenn uns hingegen die Apple Watch in Zukunft warnt, dass die Cola zu süß oder die Milch schon sauer ist, passt das besser in die Apple-Welt.

Tun Sie einfach, was Sie können!

Statt nur Prozesse zu automatisieren und neue Geschäftsfelder zu erschließen, sollten Unternehmen bestehende ausbauen. Besinnen Sie sich doch mal wieder auf etwas, das Sie schon gut können – und gehen Sie einen Schritt weiter!

Gute Produktinnovation entsteht vor allem da, wo Probleme kreativ gelöst werden. Das funktioniert besonders gut, wenn Mitarbeiter und Kunden gleichsam in den Innovationsprozess eingebunden werden. Dann wird aus den seltenen Design-Thinking-Seminaren und Innovations-Workshops eine echte, mitarbeitergetriebene Innovationskultur im Unternehmen, die zum Tagesgeschäft gehört.

Sie müssen nicht das Rad neu erfinden (es sei denn, Sie sind Reifenhersteller) und schon gar nicht Geschäftsmodellen hinterherlaufen, die nicht zum Unternehmen passen. In der Regel können die anderen das ohnehin besser. Vertrauen Sie also auf Ihre Stärken und setzen Sie Kreativprozesse gezielter ein, um reale Probleme Ihrer Mitarbeiter und Kunden zu lösen.

Produktinnovation mit Fokus auf den Nutzer

Wer auf dem aufbaut, was er bereits hat, ist schneller und besser in der Lage, Kundenbedürfnisse einfließen zu lassen. Dank Big Data ist es in vielen Bereichen relativ einfach möglich, Prognosen zu treffen, was die Kunden sich wünschen. Und dann heißt es: Was braucht die Welt, das WIR erfinden können?

Der Blick über den Tellerrand darf und soll dabei trotzdem sein. Wer sich zum Beispiel auch fachfremd weiterbildet, der erkennt, welchen Nutzen anderswo eingeübte Prozesse für die eigene Arbeit haben. Oder, wie Steve Jobs, dass ein Telefon eben auch ein Computer sein kann.

Jobs war besessen von der Idee, dass jeder Mensch in der Lage sein sollte, Computer zu nutzen. Das ist bis heute ein Erfolgsfaktor in der Apple-Strategie. Und diesen starken Fokus auf den Kunden dürfen wir uns gerne abschauen.

Unvergessen, diese Reaktion vom damaligen Microsoft-Chef Ballmer auf das erste Handy ohne Tastatur:

Schuster, bleib‘ bei deinen Leisten

Lassen Sie sich nicht als Ewig-Gestrigen abstempeln, wenn Sie das Besinnen auf die eigenen Kernkompetenzen anmahnen. Suchen Sie Innovationen nicht in der Ferne, sondern kombinieren Sie neues Wissen und Technologien mit dem, was Ihr Unternehmen groß gemacht hat. Innovation entsteht oft aus der ungewöhnlichen Kombination bereits vorhandener Bausteine. Und einige davon haben Sie mit Sicherheit schon in der Schublade.

Der süße Nebeneffekt: Neue Formen von Arbeitswelten, wie beispielsweise Kreativräume und hierarchiefreie Teams, werden viel eher akzeptiert, wenn Sie bei Ihrem Kerngeschäft und dem Können der Mitarbeiter bleiben. Selbst die größten Kritiker von Veränderungen lassen sich zu Botschaftern und Vorreitern einer Innovationskultur machen – wenn man die richtige Balance zwischen Alt und Neu findet. Oder hätten Sie beispielsweise solch eine Arbeitswelt bei einer der traditionsreichsten Versicherungen Deutschlands erwartet? (mehr lesen)

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