Wir können uns nicht erinnern, wann wir jemals so mit Zahlen bombardiert wurden wie im vergangenen Jahr. Inzidenz, R-Wert, Neuinfektionen – diese Zahlen haben uns praktisch verfolgt. Wenn Sie beruflich nicht Mathematiker oder Epidemiologe sind, geht es Ihnen vermutlich ähnlich.
Doch nicht nur die Medien beschäftigten sich intensiv mit Zahlen. Auch Statistiker und Wirtschaftspsychologen hatten dank Covid-19 ein neues Forschungsgebiet: Das große Experiment Home-Office. Einige der Studien aus dem Corona-Jahr haben wir uns für diesen Artikel etwas näher angeschaut.
Schon im Mai, etwa zwei Monate nachdem die Weltgesundheitsorganisation Covid-19 zur globalen Pandemie erklärt hatte, wünschten sich zahlreiche Arbeitnehmer zurück ins Büro. Das zeigte die Auswertung einer Home-Office-Studie des Softwareunternehmens Asana. Nur 36 Prozent der Befragten deutschen Arbeitnehmer konnten sich demnach vorstellen, freiwillig länger von zu Hause zu arbeiten als nötig.
Dass so viele Arbeitnehmer einmal dauerhaft zu Hause arbeiten würden, war zu diesem Zeitpunkt eigentlich unvorstellbar – und kaum eingeübt. Zahlreiche Arbeitnehmer gaben an, länger zu arbeiten, vielen mangelte es nach eigenen Angaben an Disziplin und Motivation.
Dazu galten weitreichende Beschränkungen der privaten Bewegungsfreiheit, Kitas und Schulen waren geschlossen, Kinder mussten nebenbei zu Hause betreut werden. Die technische Ausstattung ließ vielerorts noch zu wünschen übrig.
Besonders interessant: Schon zu diesem frühen Zeitpunkt gaben 73 Prozent der Arbeitnehmer an, dass ihnen die sozialen Kontakte im Büro fehlten. Hätten sie eine Wahl gehabt, hätten wohl viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Experiment „Totales Home-Office“ für gescheitert erklärt.
Doch nach zwei Monaten war das einmalige Experiment noch lange nicht beendet. Im Sommer hatten sich offenbar viele Arbeitnehmer an die neue Situation gewöhnt: Zu diesem Zeitpunkt kam eine Studie der DAK zu dem Ergebnis, dass immerhin mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer (56 Prozent) sich im Home-Office als produktiver einschätzte.
Im November, als die Politik neben Strategien zur Eindämmung der Corona-Pandemie längst auch das Thema Recht auf Home-Office auf der Agenda hatte, veröffentlichte dann das Münchner Ifo-Institut neue Studienergebnisse.
Die Wirtschaftsforscher konzentrierten sich auf die Perspektive der Arbeitgeber. Sie befragten gut 1000 deutsche Unternehmen und kamen in punkto Produktivität zu ernüchternden Ergebnissen.
Jeweils fast ein Drittel der befragten Unternehmen gaben nämlich an, entweder keine erhöhte oder sogar gesunkene Produktivität feststellen zu können. Zwei Perspektiven, zwei Meinungen.
Fakt ist: Ab Sommer kehrten viele aus dem Home-Office wieder ins Büro zurück (oder wurden zurückbeordert) – was sich auch mit der zweiten Welle im Herbst/Winter kaum änderte.
Arbeitsplätze sind Orte der sozialen Interaktion – und sowohl Kreativität als auch Innovationsfreudigkeit leben von einem freien, ungezwungenen Austausch innerhalb der Belegschaft. Dass Disziplin und Motivation leiden, wenn dieser Austausch fehlt, ist nicht überraschend. Home-Office kann gefährlich sein. Fürs Betriebsklima ebenso wie für jeden einzelnen Arbeitgeber.
Doch es hat eben auch viele Vorteile. Richtig und dosiert eingesetzt ermöglicht das Mehr an Freiheit nämlich ein Mehr an Produktivität, Motivation und Innovationsfähigkeit. Deshalb sollten wir die Studien aus dem Corona-Jahr 2020 mit Vorsicht genießen.
Dazu müssen wir uns ins Bewusstsein rufen, dass das vergangene Jahr nicht nur aus wirtschaftlicher und unternehmerischer Perspektive herausfordernd war, sondern auf allen Ebenen des Lebens: Denn die neue Arbeitssituation war und ist eine Reaktion auf das Leben mit der Pandemie.
Auch Reiseverbote, Kontaktverbote, Lockdowns und die sich ständig ändernden Regelungen fordern ihren Tribut. Das wiederum kann sich ebenso stark auf die persönliche Belastbarkeit und Produktivität auswirken.
Zudem ist die Beurteilung von Produktivität im Home-Office schwieriger, wenn Führungskräfte die Anwesenheit mit der erbrachten Leistung gleichsetzen.
Möglich, dass wir ab spätem Frühjahr zumindest einen Teil der Büro-Normalität zurückgewinnen. Irgendwann wird somit auch das große Experiment Home-Office beendet sein. Dann bietet sich eine einmalige Chance.
Die technischen Voraussetzungen für flexibleres Arbeiten sind nun vorhanden. Dazu gesellt sich nach fast einem Jahr im Home-Office ein großer Erfahrungsschatz der Mitarbeiter. Was wollen wir beibehalten, worauf können wir verzichten? Wie können wir unsere Arbeitsumgebungen auch im Büro so gestalten, dass sie flexibleres Arbeiten ermöglichen?
Diese Fragen müssen nicht mehr auf theoretischer Ebene diskutiert werden, sondern können in Zusammenarbeit von Unternehmensführung und Belegschaft praktisch, schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. So haben wir alle die einmalige Chance, es besser zu machen. Im Sinne der Menschen und der Unternehmen.
Planen Sie auch, Ihre Büro-Arbeitswelt neu zu denken – oder zumindest zu verändern? Dann werfen Sie einmal einen Blick auf unser Führungskräfte-Seminar „New Work – Wissen + Vision“. Es könnte Ihnen eine große Hilfe sein.
Kennen Sie übrigens das Team-Office-Prinzip? Es skizziert die Grundlagen für echte New-Work-Arbeitsumgebungen und erklärt, warum die gängigen Bürokonzepte, wie Activity Based Working oder Komibüros, veraltet sind.
Titelfoto: fabrikasimf – www.freepik.com
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