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Segen und Fluch digitaler Kommunikation

2. September 2019

Haben Sie schon einmal versucht, per E-Mail um Ihr Gehalt zu verhandeln? „Sehr geehrter Herr Chef, hiermit bitte ich um eine Gehaltserhöhung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Vielen Dank im Voraus für eine Bestätigung meiner Forderung unter Mitteilung der angedachten Lohnerhöhung. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Mitarbeiter.“

Klingt absurd? Wie wäre es stattdessen mit einem Videotelefonat?

Mitarbeiter: „Hallo Chef!“ (Denkt): Glücklicherweise merken Sie nicht, dass ich schwitze. Denn wir können uns ja nicht die Hände schütteln. Aber vielleicht merken Sie auch so, dass ich nervös bin. Kommen wir also lieber direkt zum Punkt. (Sagt): „Ich möchte mehr Gehalt. Bitte.“

Was glauben Sie, wie dieses Gespräch weiter geht?

Deutsche Unternehmen könnten Milliarden sparen

Die moderne Technik bietet uns nahezu perfekte Möglichkeiten, virtuell miteinander in Kontakt zu treten. Wir müssen nicht mehr reisen, um mit Kollegen an einem anderen Firmenstandort am gemeinsamen Projekt zu arbeiten. Wir können Meetings digital abhalten und Gespräche via Slack, Skype oder WebEx führen. Verglichen mit Flugtickets, Unterkunft und Spesen ist die Ausstattung für Videokonferenzen günstig. Ein Segen für die Bilanz.

Dennoch geben deutsche Unternehmen noch immer Milliarden für Reisen zu Konferenzen, Meetings und Co. aus: 51,6 Milliarden Euro waren es 2016, wie das Institut der deutschen Wirtschaft berechnet hat. Würden die Unternehmen auch nur einen Teil dieser Geschäftsreisen streichen und stattdessen ein paar schicke neue Flachbildschirme anschaffen, könnten sie Milliarden einsparen.

Der persönliche Kontakt ist nicht zu ersetzen

Statt die Dienstreisen zu kürzen, ermöglichen die Unternehmen ihren Mitarbeitern jedoch immer mehr Reisen. Das hat einen einfachen Grund: Kommunikation und Teamwork funktionieren nur dann gut, wenn wir uns auch physisch im gleichen Raum befinden. Der Segen ist zugleich auch ein Fluch.

Der Kommunikationswissenschaftler Joachim Höflich erklärt das im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Brand Eins folgendermaßen: „Sie spüren Ihren Gesprächspartner nicht, riechen ihn nicht, können ihm nicht auf die Schultern klopfen oder sehen nicht, wenn jemand nervös wird und schwitzt.“

Die Folge: Die Kommunikation bleibt oberflächlich – und das führt zu Missverständnissen und sogar zu Misstrauen. Schon ein falsch verstandener Smiley kann dann in der nächsten Mail als Affront aufgefasst werden.

Keine Kreativität ohne persönlichen Kontakt

Videokonferenzen haben durchaus ihre Daseinsberechtigung. Sie eignen sich am besten, wenn es um Routinetätigkeiten geht und wenn zwischen den Teilnehmern bereits ein tiefergehendes Vertrauensverhältnis besteht. Sie ersetzen somit nicht den physischen Kontakt, sondern vielmehr das Telefonat.

Sobald es um Teamwork oder um kreative Prozesse geht, sollten Unternehmen besser weiterhin auf das persönliche Treffen setzen. Denn in solchen Gesprächen kriegt man auch Dinge mit, die in einer Videokonferenz niemals angesprochen worden wären: Vorlieben des Gegenübers zum Beispiel. Oder scheinbar unwichtige Details und Anmerkungen aus dem Arbeitsalltag. Aus solchen nebensächlichen Dingen entstehen oft die besten neuen Ideen.

Der direkte Kontakt hilft also nicht nur beim Aufbauen eines Vertrauensverhältnisses, sondern auch bei der Ideenentwicklung.

Im Kreativprozess sollten möglichst viele Sinne auf einmal angesprochen werden. Pro zusätzlich genutztem Sinn steigt die Gehirnaktivität laut einer Studie des Max-Planck-Instituts um das Zehnfache. Je mehr Sinne angesprochen werden, desto einfacher fällt es, Lösungen für ein Problem zu entwickeln.

Nicht nur für die Ideenkultur im Unternehmen ist der persönliche Kontakt unersetzbar. Auch in Krisensituationen ist die direkte Kommunikation die bessere Wahl. Bei Personalfragen sowieso. Für die nächste Gehaltsverhandlungen raten wir Ihnen deshalb: Bitten Sie lieber um ein persönliches Gespräch. Dann kann der Chef sie nicht so leicht abblitzen lassen.

Apropos Teamwork: Sie wollen Ihren Mitarbeitern mehr Möglichkeiten zum persönlichen Austausch bieten? Wir hätten da ein paar Ideen. Stöbern Sie doch mal in unseren Bausteinen für Innovationskultur.

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