Es gab einmal eine Zeit der Verlässlichkeit. Auf die Schule folgten eine Ausbildung und ein Job, der einen Arbeitnehmer ein Leben lang begleiten würde. Es war eine Zeit, in der man sich vielleicht nicht viele Gedanken über Sinnhaftigkeit, Erfüllung oder Spaß an der Arbeit machte, dafür aber gute Aussichten auf eine erfolgreiche Karriere im gewählten Unternehmen hatte. Alles war sehr berechenbar.
Und dann kam die Digitalisierung und brachte die liebgewonnene Sicherheit ins Wanken. Gewohnte Prozesse änderten sich rasant, Wissen war freier verfügbar als je zuvor, und das Konzept, ausgelernt zu haben, plötzlich hoffnungslos gestrig. Junge Menschen mit anderen Ansprüchen strömten auf den Arbeitsmarkt und eine Karriere war nun nicht mehr nur an Arbeitserfahrung und Alter gebunden. Bei vielen älteren Arbeitnehmern schlich sich ein ungutes Gefühl ein: die Angst, nicht mehr mithalten zu können.
Auch heute, viele Jahre nachdem die ersten Digital Natives den Arbeitsmarkt eroberten, tun ältere Menschen sich schwer damit, die Digitalisierung als Teil ihres Lebens zu akzeptieren. Für Unternehmen wird das zunehmend zum Problem. Sie sind nämlich noch für geraume Zeit auf ihre älteren Mitarbeiter angewiesen, müssen aber auch junge Arbeitskräfte umwerben und sich den Anforderungen des Marktes stellen.
Wer sich fit für die Zukunft machen möchte, muss Digital Natives und Digital Immigrants gleichermaßen mitnehmen. Ersteren kommt in diesem Prozess eine Schlüsselrolle zu.
Jung lernt von Alt ist per se kein schlechtes Konzept. Es sorgt dafür, dass Fachwissen und Erfahrungen weitergegeben werden und junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt ankommen. Wissensvermittlung ist heute allerdings keine Einbahnstraße mehr.
Schließlich gibt es auch einiges, was Berufsanfänger ihren älteren Kollegen voraushaben: Sie verfügen aus der Ausbildung über das aktuellste Wissen in ihrem Fachbereich, hinterfragen Strukturen und Prozesse, kennen und leben den digitalen Wandel.
Auch wenn ältere Mitarbeiter schon wissen, wie man ein Smartphone bedient, automatisierte Slack-Erinnerungen einrichtet, Videokonferenzen startet, Texterkennung nutzt oder E-Mail-Anhänge prüft, gibt es noch einiges, was sie von ihren jungen Kollegen lernen können. Wie etwa …
… die Angst vor Fehlern abzulegen: Die Angst vor einem falschen Klick oder einer Blamage sitzt tief in den Köpfen vieler älterer Menschen und bildet oft eine schier unüberwindbare Hemmschwelle. Dabei sind Fehler im digitalen Kontext meist nicht gravierend, sondern in einer konstruktiven Fehlerkultur als normaler Teil des Arbeitsprozesses sogar erwünscht und für junge Menschen ganz selbstverständlich.
… Veränderung anzunehmen und Vorteile der Digitalisierung für den eigenen Arbeitsalltag zu erkennen. Was für Digital Natives normal und offensichtlich ist, kann für einen Digital Immigrant zunächst nämlich völlig unverständlich erscheinen. Digitale Arbeitsprozesse können zudem äußerst abstrakt wirken, wenn die Auswirkungen von Handlungen oder Entscheidungen nicht sofort ersichtlich sind.
… lebenslanges Lernen zu lernen. Denn das Konzept „ausgelernt“ gibt es im digitalen Arbeitskontext längst nicht mehr und mit dieser Einstellung sind Digital Natives aufgewachsen.
Lebenslanges Lernen darf nicht erst auf die Unternehmensagenda rutschen, wenn Defizite erkannt werden. Es sollte ein selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur werden. Am besten funktioniert das durch institutionalisierten Austausch, etwa in Form von Reverse Mentoring.
Dabei helfen die Jungen den Alten nicht nur bei Fragen der Digitalisierung. Sie tauschen sich auch inhaltlich und fachlich regelmäßig aus, üben Perspektivwechsel und schaffen eine offene, inklusive Unternehmenskultur mit neuen Arbeitskonzepten und Umgebungen.
Ein besonderer Fokus sollte dabei auf dem Wissensmanagement liegen. Also der Aufgabe, das Wissen der älteren Generationen für die jüngeren verfügbar zu machen und in neue, digitale Kontexte zu setzen, um dann Arbeitsprozesse gemeinsam weiterzuentwickeln.
Haben Sie eine Idee, warum Digital Natives den Digital Immigrants gegenüber einen so enormen Vorteil haben? Es liegt nicht (nur) daran, dass sie die analoge Welt quasi nicht mehr kennen. Digital Natives haben ihre ersten Erfahrungen in der digitalen Welt auf spielerische Weise gemacht – etwa in Form von Computerspielen.
Diese Tatsache können sich Unternehmen zunutze machen. Gamification kann im Umgang mit Digitalisierungsprozessen zu einem echten Gamechanger werden und die Angst vor der Digitalisierung zu Spaß an derselben werden lassen.
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