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Flexibilität ist mehr als Gleitzeit

16. Februar 2022

Sechs Stunden statt 9-to-5, vier Tage statt 40 Stunden, Work-Life-Balance und -Integration: Unser Verständnis von Arbeitszeit hat sich in den vergangenen Jahren radikal geändert. Von flexibleren Arbeitszeiten profitieren Arbeitnehmer genau wie Arbeitgeber.

Doch was bedeutet Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit eigentlich konkret? Welche Modelle gibt es? Und wie viel Freiheit ist rechtlich machbar und sinnvoll? Diesen Fragen widmen wir uns in diesem Artikel.

Der gesetzliche Rahmen schützt den Arbeitnehmer

Den rechtlichen Rahmen für die Ausgestaltung der Arbeitszeit bildet das Arbeitszeitgesetz. Und dieses Gesetz lässt im Grunde schon sehr viel Flexibilität zu. Es regelt nämlich lediglich maximale Arbeitszeiten, Ruhezeiten und Pausen, sowie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht – zum Schutz der Arbeitnehmer.

Alles weitere entscheiden die Unternehmen selbst – allerdings nicht ganz alleine. So sieht etwa das Betriebsverfassungsgesetz vor, dass der Betriebsrat über die Ausgestaltung der Arbeitszeiten mitbestimmen darf. Je nach Branche sind außerdem Tarifvereinbarungen zu berücksichtigen. Und natürlich darf der Arbeitgeber sich bei Änderungen nicht über im Arbeitsvertrag festgelegte Zeiten hinwegsetzen.

Das kleine Einmaleins der Arbeitszeit

Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit bieten ein hohes Maß an Freiheit für Arbeitnehmer. Doch Flexibilität kann viel mehr sein als das. Und weil die Arbeitszeit sehr individuell ausgestaltet werden kann, möchten wir an dieser Stelle die wichtigsten Möglichkeiten zur Flexibilisierung vorstellen.

Gleitzeit, Kernarbeitszeit und Funktionszeit

Wer in Gleitzeit arbeitet, kann innerhalb eines gesetzten Rahmens seine tägliche Soll-Arbeitszeit frei einteilen. Dabei gibt es in der Regel eine Kernarbeitszeit, mit der etwa sichergestellt wird, dass Arbeitnehmer innerhalb des gesetzlich erlaubten Rahmens arbeiten oder zu bestimmten Zeiten anwesend sind.

Häufig sind die Arbeitsstunden am Stück zu leisten, wobei Pausenzeiten automatisch abgezogen werden. Denkbar wären aber auch längere Unterbrechungen.

Von Funktionszeit spricht man, wenn Arbeitnehmer innerhalb der (Gleit-)Arbeitszeit eine bestimmte, zeitlich klar definierte Aufgabe übernehmen. Darunter fällt etwa das Besetzen einer Hotline zu festgelegten Zeiten oder an manchen Tagen.

Gleitzeit erlaubt sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern viel Flexibilität. Denn wenn mehr Arbeit anfällt, bleiben die Mitarbeiter länger. Ist wenig los, gehen sie früher. Arbeitnehmer wiederum können ihre Arbeitszeiten besser an ihr Privatleben anpassen.

Teilzeit und Jobsharing

Wer in Teilzeit arbeiten möchte, kann und muss das Teilzeitmodell individuell mit seinem Arbeitgeber vereinbaren. Die Möglichkeiten reichen weit über den klassischen Halbtagsjob hinaus.

So können Sie etwa die Stundenzahl pro Tag verkürzen, feste Tage pro Woche freinehmen oder Ihre Arbeitszeit nur auf dem Papier reduzieren, um gezielt Überstunden aufbauen. Das ermöglicht beispielsweise, die Urlaubstage um eine vorher festgelegte Anzahl freier Tage aufzustocken – oder auch ein bezahltes Sabbatical zu nehmen.

Nach diesem Prinzip funktioniert auch die Altersteilzeit: Sie arbeiten eine Zeit lang (in Vollzeit) für einen reduzierten Lohn und bekommen das einbehaltene Gehalt ausgezahlt, während sie nicht (mehr) arbeiten.

Ist Teilzeit in Ihrer Position nicht möglich, können Sie die Arbeit mit einem Kollegen teilen. Dann spricht man von Jobsharing.

Überstunden

Mehrarbeit wird durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen geregelt. Wer in der Gleitzeit Überstunden leisten muss, kann diese ausgleichen. Zum Beispiel, indem er an einem anderen Tag früher Feierabend macht oder einen Tag freinimmt, wenn genug Überstunden zusammen sind.

Manche Arbeitgeber erlauben nur eine gewisse Anzahl an Überstunden aufzubauen oder nur eine bestimmte Zahl an Ausgleichstagen pro Monat frei zu nehmen.

Je nach Betriebs- oder Tarifvereinbarung kann es auch möglich sein, sich die zusätzlichen Stunden bezahlen zu lassen anstatt sie auszugleichen.

Monats-Arbeitszeit

Wer von der klassischen 40-Stunden-Woche oder dem 8-Stunden-Tag weg will, kann stattdessen im Arbeitsvertrag eine monatliche Stundenzahl festlegen lassen. Damit kann die Arbeitszeit flexibler über den ganzen Monat verteilt werden. Das ist insbesondere für Arbeitgeber interessant, bei denen das Arbeitsaufkommen stark schwankt.

Auch eine jährliche Arbeitszeit kann vereinbart werden. Das ist allerdings nicht unbedingt immer sinnvoll. Denn es erfordert sehr viel Planung von Arbeitgeberseite, damit immer Mitarbeiter verfügbar sind, wenn Projekte oder Aufträge anstehen.

Bereitschaft

Für Zeiten, in denen erfahrungsgemäß wenig Arbeit erledigt werden muss, können Arbeitgeber eine Rufbereitschaft einrichten. Die ist überall dort sinnvoll, wo es zu Notfällen kommen kann – etwa, weil es brennt, die Heizung ausfällt oder ein Arzt benötigt wird.

Aber auch wenn ein IT-System streikt oder Informationen schnell weitergetragen werden müssen, kann eine Rufbereitschaft schnell und unkompliziert helfen. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die global tätig sind.

Kurzarbeit

Die Kurzarbeit ist uns allen spätestens seit Frühjahr 2020 bekannt. Sie bietet vor allem Arbeitgebern Flexibilität, wenn Aufträge wegbrechen oder Aufgaben wegfallen, gleichzeitig aber absehbar ist, dass sich das wieder ändern wird. Die Mitarbeiter arbeiten dann für einen kurzen Zeitraum weniger oder gar nicht und bekommen einen Teil ihres Gehalts als Kurzarbeitergeld vom Staat ausgezahlt.

Die Kurzarbeit ist gesetzlich und tariflich geregelt; gibt es einen Betriebsrat, muss dieser zustimmen, gegebenenfalls müssen auch die Mitarbeiter einbezogen werden.

Schichtarbeit

Gibt es plötzlich oder grundsätzlich sehr viel mehr zu tun (etwa in einem Labor, das PCR-Tests auswertet) oder wird die Produktion umgestellt, sodass zum Beispiel Maschinen auch nachts bedient werden müssen, können Arbeitgeber ein Schichtarbeitsmodell einführen. Auch hier müssen natürlich bestehende Arbeitsverträge geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Außerdem müssen Arbeitgeber zum Schutz der Mitarbeiter diverse gesetzliche Auflagen berücksichtigen.

Vertrauensarbeitszeit

Manche Tätigkeiten, insbesondere in kreativeren Bereichen, lassen sich schwer zeitlich bemessen. Schließlich können Sie acht Stunden lang im Büro sitzen ohne eine einzige brillante Idee zu haben. Dann haben Sie Ihre Arbeit trotzdem geleistet. Und wenn der Geistesblitz nach Feierabend dann zuschlägt oder Sie noch an einer Idee herumdenken, während Sie zu Hause die Spülmaschine ausräumen, beschäftigen Sie sich mit der Arbeit.

Wenn Unternehmen auf Vertrauenszeit statt Stechuhr setzen, erlaubt das den Mitarbeitern viel Flexibilität. Allerdings kann es auch dazu führen, dass Überstunden nicht ausgeglichen oder vergütet werden, da sie nicht aufgeschrieben werden.

Nicht erlaubt sind in Deutschland übrigens Arbeitsverträge, in denen gar keine Arbeitszeit vereinbart ist. Anders ist das beispielsweise in Großbritannien oder den Niederlanden. Dort gibt es sogenannte Null-Stunden-Verträge.

Sonderfall Home-Office

Streng genommen bietet das Home-Office in erster Linie keine Flexibilisierung der Arbeitszeit, sondern des Arbeitsortes. Für viele ist es in den vergangenen zwei Jahren jedoch zu ersterem geworden.

Denn zwischen Lockdowns, Schulschließungen und fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für kleinere Kinder war und ist es für Eltern kaum möglich, alles innerhalb der Kernarbeitszeit zu erledigen. Doch Achtung: Auch im Home-Office ist es nur unter Umständen erlaubt, spät abends, nachts oder am Wochenende zu arbeiten. Schließlich gelten auch hier das Arbeitszeitgesetz sowie Betriebsvereinbarungen. Und Arbeitgeber sind in der Verantwortung, deren Einhaltung zu prüfen.

Die Freizeit darf nicht unter der Flexibilisierung leiden

Wichtig bleibt bei aller New-Work-Flexibilisierung vor allem eins: Wir müssen auch weiterhin – und noch viel mehr als früher – Wege finden, Arbeitszeit und Privatzeit klar voneinander abzugrenzen. Zum Schutz der Arbeitnehmer, aber auch und insbesondere zur Förderung von Sinnhaftigkeit, Kreativität und Produktivität.

Zwei Modelle, die das zum Ziel haben, stellen wir Ihnen in Teil 2 und Teil 3 unserer Serie zur Arbeitszeit vor: Die 4-Tage-Woche und den 6-Stunden-Tag.

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