IKEA macht‘s schon seit wir denken können, bei Apple gilt alles andere als unhöflich, und auch uns selbst käme nichts anderes in den Sinn: wir duzen uns – und seit einiger Zeit auch euch. Klingt banal? Ist es aber nicht, im Gegenteil.
Die Frage, ob ihr jemanden duzen dürft oder lieber beim höflichen „Sie“ bleibt, kann in allen Lebenslagen zum Balanceakt werden. Im Arbeitskontext ist sie das erst recht. Immer mehr Unternehmen setzen auf die Kultur des Duzens, andere halten vehement am Siezen fest, weil sie es mit Professionalität und Respekt verbinden. Aber was ist eigentlich besser?
Die Ansprache beeinflusst nicht nur das Miteinander am Arbeitsplatz, sondern auch das Teamwork, die Führung und die Unternehmenskultur. Das „Du“ bringt viele Vorteile mit sich: Es schafft Nähe und ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld – zumindest auf den ersten Blick. Besonders Berufsanfängern kann der Einstieg in den Job dadurch leichter fallen.
Die Kommunikation per Du ist direkter, schneller und unkomplizierter, auch über Hierarchieebenen hinweg. Das kann sich positiv auf die kreative Zusammenarbeit auswirken, es kann aber auch Stress reduzieren, Sicherheit geben, Zuversicht schenken. Und es sorgt für einen effektiven Abbau von klassischen Hierarchien. Führungskräfte, die auf vertrauensvolle Kommunikation setzen, arbeiten eher auf Augenhöhe mit ihren Teams.
Eine Kultur des Duzens wirkt sich aber auch nach innen wie nach außen auf das Unternehmensimage aus: Wird das Du auch z. B. in der Öffentlichkeitsarbeit, der Ansprache von potenziellen Kunden oder Auftraggeberinnen und in Stellenausschreibungen verwendet, wirkt das Unternehmen modern, transparent und sympathisch. Nach innen stärkt das Duzen die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Arbeitgeber.
Das Duzen bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Aber Vertrauen entsteht auch am Arbeitsplatz nicht allein durch Sprache. Es muss wachsen.
Und das Duzen hat seine Tücken: Wer mit Kollegen auf einer sehr vertrauten Ebene ist, hat unter Umständen Schwierigkeiten damit, Kritik an ihnen zu äußern oder ehrliches, aber negatives Feedback zu geben. Wer möchte schon jemanden brüskieren, zu dem er ein vertrauensvolles Verhältnis pflegt?
In hierarchisch aufgebauten Unternehmensstrukturen kann es außerdem zu Unsicherheit führen: Dürft ihr die Chefin wirklich duzen? Darf der Geschäftsführer euch duzen? Das kann sich für beide Seiten falsch anfühlen und dazu führen, dass unangenehme Gespräche von vorneherein vermieden werden.
Eine Studie der Hochschule Osnabrück zum Duzen im Unternehmenskontext zeigt: Die meisten Mitarbeitenden wünschen sich, selbst wählen zu können, ob sie im Arbeitsumfeld duzen oder siezen. Ein vorgeschriebenes Siezen ist dabei allerdings noch deutlich weniger erwünscht als das auferlegte Duzen. Auch bei einer Stellenanzeige hatte das „Du“ weniger Einfluss darauf, wie die Studienteilnehmer die Anzeige selbst bewerteten. Allerdings stellten die Forschenden fest, dass duzende Unternehmen als moderner und mitarbeiterorientierter bewertet wurden.
So viele Vorteile das Duzen auch mit sich bringt – es funktioniert nur, wenn es authentisch ist. Ein aufgezwungenes „Du“ kann mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Eine offene, vertrauensvolle Kommunikation fördert Innovation und Teamgeist und ist deshalb allein aus sozialpsychologischer Sicht von Vorteil.
Doch Vertrauen lässt sich nicht erzwingen, und eine formell distanzierte Kommunikation ist immer noch besser als eine gestörte. Deshalb sollte in der Unternehmenskultur auch Raum fürs Siezen bleiben, wenn sich jemand damit wohler fühlt – vor allem, wenn ein Vertrauensverhältnis einmal beschädigt wurde.
Das „Du“ kann Türen öffnen, das „Sie“ schafft klare Grenzen. Entscheidend ist letzten Endes aber nicht, wie ihr euch nennt – sondern, wie ihr miteinander umgeht.
In Schweden wurde in den 1960er und 70er Jahren im Rahmen der „du-reformen“ das Du als Standard in der gegenseitigen Ansprache eingeführt und die Ansprache mit dem Nachnamen abgeschafft. Daher ist es für Schweden völlig normal zu ihrer Chefin, dem Taxifahrer oder dem Regierungschef „du“ zu sagen. Das förmliche Sie verwendet man heutzutage nur noch für die Königsfamilie.
Um dennoch eine gewisse verbale Distanz wahren zu können, hat jede Schwedin und jeder Schwede einen Kose- oder Kurznamen. Diesen erlaubt man dann nur Menschen zu nutzen, die einem persönlich nahestehen. So wird Matthias von seiner Chefin genauso genannt – während seine engen Kollegen ihn Matti nennen.
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