Stellen Sie sich vor, es ist Montagmorgen und Sie gehen gutgelaunt ins Büro. Es ist nämlich so: Heute tanzt alles nach Ihrer Pfeife. Heute sind Sie der Abteilungschef, mit Chefsessel und allem Pipapo. Wir unterstellen Ihnen jetzt einfach, dass Sie das schon immer mal sein wollten, wenigstens für einen Tag. Einen Tag lang alles besser machen und endlich das Sagen haben. Sonst hört ja nie jemand auf Sie. Jetzt kriegen Sie Ihre Chance.
(Falls Sie schon Chef sind, lesen Sie gerne trotzdem weiter – vielleicht inspiriert Sie der Text für Ihren Job)
Mehr als einen Tag konnten wir leider an der Tagtraumvergabestelle nicht für Sie heraushandeln, aber lassen Sie uns doch mal sehen, wie Sie sich als Chef oder Cheffin so schlagen. Sind Sie bereit für ein Experiment? Wir haben da etwas für Sie vorbereitet. Dürfen wir präsentieren: Ihr Tagesablauf.
8:15 Uhr
Keine Parkplatzsuche heute! Sie parken Ihren Dienstwagen in der ersten Reihe auf Ihrem Parkplatz, werfen lässig Ihr Jackett über die Schulter und betreten leise pfeifend das Bürogebäude. Sie freuen sich über ein freundliches „Guten Morgen“ vom Pförtner. Dass die Kollegen vorm Aufzug ihr Gespräch abrupt beenden, als Sie dazu kommen, registrieren Sie nicht, denn Sie sind in Gedanken schon in Ihrem Einzelbüro.
8:30 Uhr
Dort schalten Sie den Rechner ein und legen erstmal die Füße auf den Tisch. Doch noch bevor Sie Ihren Kalender geöffnet haben, steht der erste Mitarbeiter in der Tür, irritiert über Ihre Sitzhaltung: Ob Sie Zeit haben, über seinen Projektentwurf zu schauen. Sie fühlen sich ertappt, vertrösten ihn auf später und nehmen etwas beschämt die Beine wieder runter.
8:35 Uhr
Entsetzt starren Sie auf Ihren Kalender: Drei Meetings, ein Jour Fixe und ein Termin mit der Geschäftsleitung. Und das alles vor dem Mittagessen, das Sie heute offenbar mit einem Kollegen aus der Buchhaltung verbringen sollen. Inhaltlich fühlen Sie sich für diese Termine nicht sonderlich gut gewappnet, schließlich haben Sie sich mit den meisten Tagesordnungspunkten noch nie beschäftigt.
Aber Sie wissen: Je höher die Gehaltsklasse, desto eher lässt man Sie mit ein paar allgemeinen Floskeln durchkommen. Also stellen sie eine Übersicht mit möglichst inhaltsleeren Formulierungen zusammen.
9:00 Uhr
Endlich Zeit für Kaffee. Sie gehen ins Großraumbüro – doch die Kollegen sind ohne Sie in die Kantine gegangen. Warum hat Sie eigentlich niemand gefragt, ob Sie mitkommen möchten?
9:30 Uhr
Der Terminmarathon startet – und Ihre Laune sinkt. Ihre Mitarbeiter streiten im Jour Fixe um Kleinigkeiten, aber keiner möchte Verantwortung für das Projekt übernehmen, das Ihnen von der Geschäftsleitung aufgezwungen wurde. Und die bringt Sie mit einigen Nachfragen zu Ihren am Morgen vorbereiteten Aussagen gehörig ins Schwitzen. Sie beschleicht langsam aber sicher das Gefühl, dass nicht nur die ganze Verantwortung am Ende bei Ihnen hängen bleibt, sondern dass auch niemand mit Ihnen zufrieden ist.
13:00 Uhr
Sie werfen heimlich neidische Blicke auf Ihre Teamkollegen, die sich in der Mittagspause prächtig zu amüsieren scheinen, während Sie sich auch in Ihrer Pause noch mit Zahlen, Sorgen und Nöten beschäftigen müssen. Ihr Gesprächspartner ist so zäh wie Ihr Kantinenschnitzel.
14:00 Uhr
Ihr Mitarbeiter klopft wieder an Ihre Tür und fragt, ob Sie jetzt Zeit haben. Zehn Minuten müssen reichen. Sie werfen einen Blick auf den Projektplan und erinnern sich: Sie wollten alles besser machen. Also sprechen Sie ein Lob aus, denn Sie wissen, wie wohltuend das sein kann.
Ein anderer Mitarbeiter meldet sich krank. Ein dritter beschwert sich über zu viel Arbeit. Der Rest ist zum Kickern aus dem Büro gegangen. Bei Ihnen geht der Meeting-Marathon in die zweite Runde.
17:45 Uhr
Als Sie aus dem letzten Meeting Ihres Arbeitstages kommen, treffen Sie im Büro nur noch auf einen Kollegen. Der hat extra auf Sie gewartet, weil er noch eine dringende Frage an Sie hat. Ihnen brummt der Kopf.
Weil Sie den ganzen Nachmittag in Meetings verbracht haben, ist Ihr Postfach vollgelaufen. Sie scannen die Mails. Fünf davon müssen unbedingt heute noch bearbeitet werden.
Resigniert nehmen Sie das Telefon in die Hand, um zu Hause Bescheid zu sagen, dass es später wird. Im Hintergrund hören Sie Ihre Kinder schreien. Im Büro ist jetzt wenigstens Ruhe.
19:30 Uhr
Sie fahren den Rechner herunter und bleiben noch fünf Minuten vor dem dunklen Monitor sitzen. Dann verlassen Sie Ihr Büro. Auf dem Parkplatz ist jetzt fast alles frei, aber immerhin müssen Sie nicht wie sonst noch einmal quer darüber laufen, bis Sie bei Ihrem Auto sind.
Natürlich ist unser Tagesablauf rein fiktiv. Er könnte auch komplett anders aussehen und ändert sich mutmaßlich von Tag zu Tag stark. Aber: Hätten Sie Lust, morgen wieder Chef zu sein?
Fest steht: Perspektivwechsel tun gut – und zwar nicht nur dem Betriebsklima, sondern auch der Kreativität. Schließlich müssen wir uns auch immer dann in andere hineinversetzen, wenn wir zum Beispiel Probleme lösen oder Produkte verbessern wollen.
Und sie lassen sich üben. Zum Beispiel, indem Mitarbeiter tatsächlich hin und wieder untereinander Aufgaben oder Zuständigkeiten tauschen. Aber auch, indem Hierarchien konsequent und regelmäßig hinterfragt werden.
Und natürlich, indem Sie auch Ihren Chef zur Kaffeepause oder zum Kickern einladen und sich ungezwungen und über Hierarchiebenen hinweg austauschen. Achja, auch ein Chef darf mal gelobt werden 🙂
Übrigens: Warum viele Arbeitnehmer es gar nicht mehr für erstrebenswert halten, eine Führungsposition zu besetzen, erfahren Sie auch bei uns: Manager werden? Nein Danke!
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